FASD – Was für ein Scheiß!
Wenn man die Diagnose erst als Jugendlicher bekommt, reagieren eigentlich fast alle so.
Man will es nicht wirklich wissen. Man will nicht, dass es die anderen wissen.
Ist es denn wirklich so schlimm? Ich bin doch nicht behindert!
Das sind doch die in den Rollstühlen, oder die im Kopf nicht so fit sind.
Richtig daran ist, dass FASD keine Behinderung ist, wie man sie kennt.
Deshalb kennt sie auch kaum jemand. Deshalb können so wenige was damit anfangen.
Fachleute nennen sie auch „Die unsichtbare Behinderung“.
Aber woraus besteht sie denn dann, wenn man sie nicht sieht?
Abgesehen von verschiedenen möglichen körperlichen Schäden, ist FASD vor allem eine Schädigung des Gehirns.
Das Gehirn besteht aus bis zu einer Billion Nervenzellen.
Aber was sie können, steckt nicht in den einzelnen Zellen, sondern in den sogenannten Synapsen.
So nennt man die Verbindungen zwischen den Nervenzellen.

Der Alkohol hat während der Schwangerschaft etwas an der Entwicklung dieser Zellen und ihren Verbindungen gestört.
Deshalb funktioniert manches nicht so wie bei einem Gehirn, das solchen schädlichen Einflüssen nicht ausgesetzt war. Auf Bildern kann man das nicht sehen, nur bei sehr schweren Schädigungen.
Die Wissenschaft weiß über das Gehirn immer noch viel weniger, als über alle anderen Organe im Körper.
Fehler kann man aber erkennen, wenn man andere Sachen untersucht.
Zum Beispiel was jemand kann oder nicht.
Wie sich jemand verhält.
Was jemand empfindet oder nicht.
Was jemand versteht oder eben nicht so leicht versteht.
Dahinter stecken immer unglaublich viele Verschaltungen der Synapsen, die man nicht genau sehen oder messen kann.
Sehen kann man nur, wo im Gehirn was passiert und wie viele Zellen daran beteiligt sind.
So hat man herausbekommen, welche Bereiche des Gehirns für welche Fähigkeiten zuständig sind und welche bei bestimmten Tätigkeiten zusammenarbeiten.

Nun kann man sich leicht vorstellen, dass schon geringe Abweichungen große Folgen haben können.
Zum Beispiel, wenn man etwas lernen soll. Oder, um sich richtig zu erinnern.
Oder wenn man etwas von Anfang bis Ende tun will und dabei auch noch alles richtig machen muss.
Sonst klappt es nämlich nicht.
Oder wenn man sich länger auf etwas konzentrieren möchte.
Oder um morgen das Gleiche noch mal genauso hinzukriegen.
Für all diese Sachen muss das Gehirn richtig funktionieren.
Und wenn es das nicht tut? Dann ist man auf keinen Fall selbst daran schuld.
Niemand kann solche Schädigungen durch seinen Willen beeinflussen.
Oder durch etwas mehr Anstrengung bitte, was man oft zu hören bekommt.
Bei FASD kann man zwar sagen, was nicht richtig funktioniert, aber nicht warum.
Man kann es auch nicht ändern oder verbessern – jedenfalls noch nicht.
Was man aber kann, ist zu verbessern, wie man damit lebt.
Wenn ein anderer Körperteil nicht richtig funktioniert, ist es einfach.
Man sieht sofort, was nicht so gut geht.
Und keiner käme auf die Idee, etwas zu verlangen, was nicht geht.
Man wird ihm oder ihr vielmehr so gut es geht helfen, damit klarzukommen.
Wenn zum Beispiel Beine nicht normal funktionieren, wird man von so jemand nicht erwarten, dass er Fußballprofi wird oder auch nur Postbote.
Denn ein Postbote muss den ganzen Tag gehen, Treppen steigen und Fahrrad fahren, um seinen Job zu schaffen.
Tja, und hier ist das Problem: Bei Menschen mit FASD läuft das meistens falsch.
Denn man sieht ihnen nicht an, was sie nicht so gut können. Oft merken sie es selbst nicht.
Andere erwarten viel mehr von ihnen, als sie erfüllen können. Sie selbst oft auch.
Das nennt man Überforderung.
Wenn man das nicht sieht, sondern andere Gründe sucht, dann überfordert man sich damit auch noch.
Und ärgert sich. Andere ärgern sich.
Oder man ist frustriert. Andere sind frustriert, oder irgendwie enttäuscht.
Das spüren Menschen mit FASD… was für ein Stress!
Wenn es dauernd passiert, ist es dauernder Stress!
Fast jeden Tag. Bei fast allem.
Allein dieser Stress bewirkt, dass manchmal Dinge noch anstrengender werden, als sie eh schon sind.
Jeder weiß, dass man nicht richtig denken kann, wenn man unter Stress steht.
Man findet keine richtige Ruhe. Man kann sich noch weniger konzentrieren.
Man will sich ablenken, irgendwas finden, was diesen Stress beruhigt.
Man flippt aus oder macht irgendwas, um diesen Stress mal einen Augenblick zu vergessen… und so weiter.
Das ist völlig normal, für alle Menschen, ja sogar für alle Lebewesen.
Menschen mit FASD können es nur nicht so gut kontrollieren.
Sie sind dem oft ausgeliefert.
Das nervt, aber wenn man es weiß, wird es direkt ein wenig besser.
Man nimmt es nicht mehr so persönlich.
Es wird ein bisschen wie Wetter.
Deshalb ist es sehr hilfreich, wenn man die Überforderung bei sich und anderen erkennt.
Und da ist auch jeder und jede ein bisschen anders.

FASD – und dann?
Dieses Handbuch soll betroffenen jungen Menschen helfen, mehr über FASD zu erfahren.
Alle Menschen sind verschieden. Das trifft auch auf Menschen mit FASD zu. Es kann deshalb sein, dass nur manche Seiten für dich interessant sind.
Überspringe das, was dich nicht interessiert oder lasse dir von Menschen, die dich gut kennen, helfen. Sie können dir die Seiten heraussuchen, die für dich wichtig sind.
Wenn es dir lieber ist, kannst du dir das Buch auch vorlesen lassen.