Mehr Dia­gnos­tik zu FASD bei Erwach­se­nen

Gemes­sen am Bedarf sind die Ange­bo­te zu einer Dia­gnos­tik für Erwach­se­ne noch sehr über­schau­bar. Man kann es aber als einen Erfolg jah­re­lan­ger Auf­klä­rungs­be­mü­hun­gen werten, dass die Nach­fra­ge gerade alle Kapa­zi­tä­ten über­steigt und stetig wei­ter­wächst. Es gibt War­te­zei­ten von bis zu einem Jahr.

Das ist – neben den all­ge­mein langen War­te­zei­ten für Bedarfs­fest­stel­lun­gen und Bewil­li­gun­gen von Leis­tun­gen – sowohl für die Betrof­fe­nen, als auch für die sich beglei­tend küm­mern­den Ange­hö­ri­gen oder Fach­leu­te aus den Berei­chen Betreu­ung, Ver­sor­gung und sozia­ler Arbeit beson­ders belas­tend, denn die Zer­rüt­tung durch bis­lang unzu­rei­chen­de, fal­sche oder voll­stän­dig feh­len­de Hilfen ist bei vielen Betrof­fe­nen bereits ein Teil des Stö­rungs­bil­des gewor­den. Das erschwert die Dia­gno­se bei Erwach­se­nen zusätz­lich. Die Aus­prä­gun­gen von kom­or­bi­den Stö­run­gen (Begleit­erkran­kun­gen) beson­ders im psy­chi­schen Bereich – dys­funk­tio­na­len Ver­hal­tens­wei­sen, sozia­ler Insta­bi­li­tät, Dro­gen­kon­sum und meist ver­zö­ger­ter Rei­fung können den Blick auf FASD-typi­sche Merk­ma­le ver­stel­len, beson­ders für die Dia­gno­sen pFAS und ARND.

Dieses Pro­blem könnte ein ein­deu­ti­ges Bekennt­nis der Mütter zu ihrem Alko­hol­kon­sum in der Schwan­ger­schaft aus dem Weg räumen, aber das ist schon bei Kin­dern und Jugend­li­chen nicht selten ein Pro­blem. Bei Erwach­se­nen liegt die Erin­ne­rung noch weiter zurück und es gibt oft keine ver­trau­te Bezie­hung mehr. Eine schon frü­he­re Ver­drän­gung oder Leug­nung von Kon­sum­ge­wohn­hei­ten hat sich eher noch ver­fes­tigt. Gerade wenn es kaum glaub­haft ist, dass es neben Drogen und Ziga­ret­ten oder einem alko­hol­ab­hän­gi­gen Part­ner kein Gläs­chen von diesem oder jenem gege­ben haben soll.

Das wird sich auch so schnell nicht ändern, weil wir das Bekennt­nis der Mütter nicht beein­flus­sen können. Ohne diese wich­ti­ge Säule in den Dia­gno­se-Kri­te­ri­en ist es beson­ders schwie­rig, die oft glei­chen Sym­pto­ma­ti­ken von ande­ren Stö­run­gen zu unter­schei­den, beson­ders bei den Merk­ma­len, die sich auf das zen­tra­le Ner­ven­sys­tem bezie­hen. Das kann aber durch die Wei­ter­ent­wick­lung der S3-Leit­li­ni­en zur FASD – Dia­gnos­tik und der Eva­lu­ie­rung wei­te­rer Dia­gno­se­instru­men­te teil­wei­se oder gänz­lich aus­ge­gli­chen werden.

Unab­hän­gig davon müss­ten für die all­ge­mei­ne Aner­ken­nung der Dia­gno­se bei Erwach­se­nen die Kri­te­ri­en für eine geis­ti­ge Behin­de­rung erwei­tert werden, die zur­zeit an einen IQ unter 70 gebun­den sind. Mit beiden Anpas­sun­gen ließe sich auch die sozi­al­recht­li­che Ver­an­ke­rung der Dia­gno­se ver­bes­sern.

Es geht also nicht nur darum, die Anzahl der Anbie­ter für Dia­gno­se­mög­lich­kei­ten zu erhö­hen, son­dern auch für ver­bes­ser­te Stan­dards und deren Doku­men­ta­ti­on in den gebräuch­li­chen Klas­si­fi­ka­tio­nen und Leit­li­ni­en zu sorgen. Erste Ver­bes­se­run­gen hierzu wird es im kom­men­den ICD 11 geben, aber eben nur Ver­bes­se­run­gen. Die von der Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­ti­on (WHO) her­aus­ge­ge­be­ne inter­na­tio­na­le sta­tis­ti­sche Klas­si­fi­ka­ti­on der Krank­hei­ten und ver­wand­ter Gesund­heits­pro­ble­me wird kurz als ICD bezeich­net.

Für diese Auf­ga­be hoffen wir auf Inter­es­se und Unter­stüt­zung aus der Fach­welt, sowie der Poli­tik. Unsere Aktion wird also zunächst daraus bestehen, dieses Inter­es­se her­zu­stel­len und fach­lich im Detail zu begrün­den.

Wer uns dabei helfen will, ist herz­lich will­kom­men, denn es bedarf einer Viel­zahl ein­zel­ner Aktio­nen, um das zu errei­chen.


Wei­ter­füh­ren­de Infor­ma­tio­nen

Fetale Alkohol­spektrum­störungen (FASD) Dia­gno­se im Erwach­se­nen­al­ter
Vor­trag von Prof. Dr. Ludger Kaiser, Psych­ia­ter, Kinder- und Jugend­psych­ia­ter