Es ist nicht übertrieben zu behaupten, dass FASD in der medizinischen Versorgung den Prototyp für eine Versorgungslücke stellt. Das liegt in erster Linie daran, dass FASD in seiner diagnostischen Praxis und Anerkennung nicht auf dem Stand ist, den andere Krankheiten oder Störungen mit dieser Relevanz längst haben. Entsprechend unzureichend ist die Verankerung in den entsprechenden Regelwerken. Weil aber genau diese unzureichende Verankerung als Gradmesser für Relevanz gesehen wird, gibt es für den gemeinen Mediziner keinen Grund, gelerntes Wissen zu hinterfragen oder zu erweitern. So wird, mit überraschender Renitenz gegen Aufklärungsversuche, an Behandlungen, Maßnahmen und Zielvorstellungen auch dann beharrlich festgehalten, wenn sie nicht das gewünschte Ergebnis zeigen oder sogar wiederholt scheitern. Es kommt immer wieder zu Fehldiagnosen und ‑behandlungen mit teils dramatischen Konsequenzen.
Diese Sachlage ist ein wesentliches Motiv für unser Aktionsbündnis, denn hier wird selbst massive Aufklärung keine nachhaltige Veränderung bewirken. Es braucht gezielte Aktionen, um den derzeitigen Wissensstand an die Institutionen heranzutragen, die für den Inhalt solcher Regelwerke verantwortlich sind, und das ist – ähnlich wie ein Lehrer nicht das Curriculum bestimmt – hier auch nicht der Arzt oder die Ärztin, die vor einem sitzt.
Hierzu werden wir ins Detail gehen und alsbald möglich die Mängel konkret benennen, als auch den Weg, um das zu ändern. Denn alle medizinischen Standards entstehen nach und in einem bestimmten System und nicht durch Aufklärungsseminare.
Siehe auch: Relevanz von FASD bei psychischen Erkrankungen