Jahrgang 1971 – verheiratet – Pflege- und Adoptivmutter von zwei Kindern – Vorsitzende des Landesverbandes der Pflege- und Adoptivfamilien Pfad Niedersachsen e. V.
Meine FASD-Vita
Meine erste bewusste Begegnung mit FASD war ein Fernsehbericht bei Stern-TV vor knapp 10 Jahren. Professor Spohr war dort mit einem jungen Erwachsenen zu Gast und berichtete über die Behinderung und ich erinnere mich noch sehr gut daran, dass mich dieser Beitrag zutiefst berührt und noch lange beschäftigt hat. Eigentlich hat sich daran bis heute nichts verändert. Die Betroffenen und ihr Schicksal berühren mich noch ganz genauso – mit dem Unterschied, dass ich heute aktiv dazu beitragen möchte, ihnen eine Stimme zu geben und für sie einzustehen.
In meiner täglichen Arbeit mit Pflege- und Adoptivfamilien erlebe ich, welche direkten und indirekten Auswirkungen die noch immer große Unkenntnis über FASD auf die Kinder und Jugendlichen sowie auf das gesamte Familiensystem haben. Eltern und Bezugspersonen befinden sich in ständiger Rechtfertigungshaltung bzw. verzweifeln geradezu an den Verhaltensweisen der Kinder und Jugendlichen, denen mit gängiger Pädagogik kaum erfolgreich begegnet werden kann.
Ich bin der festen Überzeugung, dass Kinder, die in einem wissenden, annehmenden und geschützten Rahmen, ohne Bindungsabbrüche aufwachsen können, ein deutlich geringeres Risiko haben, im Erwachsenenalter schwer psychisch zu erkranken. Um das zu gewährleisten, ist jedoch ein gutes Netzwerk, also das sprichwörtliche Dorf, nötig. Elementar wichtig hierfür ist, dass in dem Dorf auch die gleiche Sprache gesprochen wird und sich das Helfernetzwerk und die Betroffenen verstehen, also eine gemeinsame Haltung haben. Gut funktionierende Dörfer sind zurzeit leider noch die rühmliche Ausnahme. Trotzdem bin ich positiv und glaube, dass sich das in Zukunft verändern, und die Erkenntnis einer auch über den Übergang ins Erwachsenenalter hinaus erfolgreichen Dorfgemeinschaft sich verbreiten und hoffentlich etablieren wird.
Die Grabenkämpfe der Systeme auf dem Rücken der Betroffenen müssen eingestellt und Synergien geschaffen werden. Gerade bei den Erwachsenen von FASD betroffenen Menschen führt das Recht auf Autonomie viel zu häufig geradezu in die unterlassene Hilfeleistung und in unwürdige Zustände ohne das auch nur im geringsten ein Bewusstsein dafür vorhanden ist. Dieser Status Quo kann und darf nicht weiter bestehen bleiben. Uns allen muss bewusst sein, dass jede Fehleinschätzung der Behinderung weitreichende und fatale Folgen für die Betroffen haben, beginnend in der Familie weiter über Kindergarten, Schule, Ausbildung und Beruf bis hin in die Lebenssituation im Erwachsenenalter.
Meine Hoffnung und mein Ziel sind es, durch gute Aufklärung und Vernetzung der Systeme, bessere und verlässliche Standards zu schaffen, die der Behinderung und Würde der Menschen Rechnung tragen. Es darf kein Zufall sein, ob ein von FASD betroffener Mensch gut begleitet wird oder nicht.
Mir ist sehr wohl bewusst, dass das noch ein langer Weg sein wird. Solange in Psychiatrien noch heute Sätze wie: „FASD? Das ist doch eine Kinderkrankheit!“ fallen, brauchen wir eine große Gemeinschaft, die das Thema in aller Klarheit und mit Nachdruck an die entsprechenden Stellen heranträgt und die Ergebnisse laufend evaluiert.
Ich freue mich, Teil des Aktionsbündnisses zu sein!
Sie können mich unter erreichen.
Nevim Krüger koordiniert auch die Vorbereitung zur Gründung des Bundesverbandes FASD.