Jahrgang 1961 – ledig – 3 Kinder – hauptberuflich Regisseur und Stoffentwickler von Trickfilmformaten – nebenberuflich auf dem Weg zur unfreiwilligen Fachkraft für FASD.
Meine FASD-Vita
Die erste Berührung mit dem Thema Fetales Alkoholsyndrom hatte ich durch eine befreundete Kinderpsychologin bereits 2011, weil sie bei meinem mittleren Sohn Verhaltensauffälligkeiten feststellte, die dieser Behinderung entsprechen. Ich habe sie daraufhin zu einer entsprechenden Infoveranstaltung von Sucht Hamburg begleitet, aber habe den erlebten AHA-Effekt durch eine fast zeitgleiche, erste psychotische Episode meines Sohnes bald wieder vergessen. Bis 2015 und mehrere psychotische Episoden später, lebte ich in der Überzeugung, dass die psychische Erkrankung so ziemlich alle Probleme erklärt, wurde aber dann wieder an FASD erinnert. Denn selbst, wenn er symptomfrei oder medikamentös gut eingestellt war, scheiterte trotzdem jeder Versuch einer altersgerechten Verselbstständigung, ungeachtet auch anderer äußeren Umstände.
Gegen das Achselzucken des damaligen Kinder- und Jugendpsychiaters habe ich daraufhin eine Untersuchung auf FASD in Walstedde unter Leitung von Dr. Feldmann und ein Jahr später, sicherheitshalber, an der Charité bei Professor Spohr arrangiert, mit dem gleichen positiven Ergebnis: FASD adult.
Ein Scheiß, dieses FASD, aber jetzt wusste ich wenigstens Bescheid und in einem Land wie Deutschland wird sich dafür ja wohl entsprechende Unterstützung organisieren lassen! Weit gefehlt, denn nicht nur ich kannte diese Diagnose bis dahin nicht, sondern praktisch alle um mich herum. Oder wenn doch jemand davon etwas gehört hatte, z.B. ein Psychiater, wurde es trotzdem vorsätzlich ignoriert oder geringgeschätzt, ungeachtet eines vorliegenden, 13-seitigen Gutachtens und zahlreichen persönlichen Aufklärungsversuchen. In Arztberichten wurde und wird FASD in maximal einem oder zwei Nebensätzen erwähnt.
Dabei musste ich miterleben, wie diese auf den ersten Blick unsichtbare Behinderung jede andere Behandlung und Hilfsmaßnahme blockiert oder gar ins Gegenteil verkehrt. Gerade die meist mit FASD einhergehenden zusätzlichen Belastungen, wie Suchtprobleme oder psychische Störungen, bleiben in ihrer Behandlung stecken, wenn der Zusammenhang mit FASD nicht erkannt oder nicht mitberücksichtigt wird. Es kam zu entsprechenden, teilweise folgenreichen Fehldiagnosen. Auch das ist unter FASD-Fachleuten längstens bekannt, aber deren Kompetenz ist bei den anderen Fachleuten nicht gefragt. Trotz vielfacher Aufforderungen wurden sie bis heute im klassischen Medizinbetrieb meines Wissens nicht einmal mit hinzugezogen.
Bei FASD verhindert das meist erhebliche Defizit bei den sogenannten „Exekutiven Funktionen” eine Teilhabe am normalen Leben, und das oft nahezu vollständig. Denn auch Betreuer aller Art, ambulante sozialpsychiatrische Einrichtungen, die diversen Reha-Programme und Arbeitgeber wissen nichts oder zu wenig über FASD, sodass Hilfsmaßnahmen schon im Ansatz scheitern. Das Scheitern wird mit Verweis auf die unbedingte Selbstbestimmung, verbunden mit meist mangelnder sogenannter Compliance erklärt, ohne zu beachten, dass diese behinderungsbedingt ist und somit Teil jeden Umgangs sein sollte.
Damit war klar, die Haltung der Umgebung von Betroffenen stellt gut die Hälfte aller Probleme. Das Klima von lebensbestimmender Unkenntnis, Gering- und Fehleinschätzungen führte 2019 mit anderen Angehörigen und Fachleuten zur Gründung des Vereins FASD-Fachzentrum Hamburg. Der kann im Kinder- und Jugendbereich inzwischen eine gute Aufmerksamkeit und so einige Fortschritte vorweisen. Ganz anders im Erwachsenenbereich, leider. Nach inzwischen guten 5 Jahren seit der offiziellen Diagnose habe ich es nicht geschafft, eine den Problemen angemessene Aufmerksamkeit zu erreichen oder gar ein adäquate Netz an Unterstützungen in Hamburg aufzubauen.
So ist, zusammen mit dem ehrenamtlichen Betreuer Peter Rettenbach und der ADS-Coachin Elke Kröhner die Idee zu diesem Aktionsbündnis entstanden, welches sich speziell der Erwachsenenproblematik widmet. Es ist zunächst als Kooperative Einzelner gedacht, die ihr jeweiliges Engagement für FASD und ähnlichen Behinderungen oder Erkrankungen zusammenhält. Über die gemeinsame Arbeit sollen spezifische Aufgaben und Aktionen formuliert werden, die sich hoffentlich mit der Unterstützung weiterer Interessenten zu konkreten Projekten entwickeln. Durch deren Realisierung ließe sich wirklich etwas verändern, endlich.
Sie können mich unter erreichen.
In der Sendereihe „Neugier genügt“ des WDR 5 erzählt Udo Beissel seine Geschichte und die seiner Söhne. Die Sendung von Uli Winters „FASD – Ein Vater kämpft für seine Kinder“ kann auf der Webseite des WDR abgerufen weden.